Kahlschlag-Fieber am Amazonas – und jetzt Hohe Börde
(Eine Straßentheater-Szene von Harald Rohr)
Der Klima-Clown entdeckt auf seinem Globus rote Flecken, die sich am Amazonas, dann aber auch in der Hohen Börde rasant ausbreiten. Das Fieberthermometer zeigt 41,3° an. Ursache vermutlich: Abholzung. Leider hat die Gemeinde noch keine Baumschutzsatzung. Doch da hilft ein Gartenzwerg…
Personen:
Klimaclown
Bote/Botin vom Rathaus (in diesem Fall: von der Gesamtgemeinde Hohe Börde)
Requisiten:
aufblasbare Erdkugel, mit großen Pflastern über den Regionen Amazonas, Indonesien und Kongo; auf den Plastern eine Menge kleiner blutroter Punkte, im Bereich BRD, Sachsen-Anhalt, Hohe Börde ein winziger roter Klebepunkt
Klimaclown-Kostüm, voller Symbole für intakte Schöpfung und Naturzerstörung
Lupe
überdimensionales Fieberthermometer aus Holz
Große spitze Schere
Wurzelbürste
Paket mit Gartenzwerg, gestaltet als „Automatischer Baumwächter“, Typ Hohe Börde
Beipackzettel zum „Baumwächter“
Klimaclown
tritt auf, mit Erdkugel in den Händen, macht zärtliche und besorgte Gesten und singt dazu:
„Heile, heile Gänschen, wird ja wieder gut…“ Er geht auf das Publikum zu und zeigt auf die mit den Mullstücken bedeckten Regionen. Er erläutert:
Kahlschlagfieber, ganz schlimm! Hat sie schon seit 30 Jahren. Ich glaube, Ihr wisst Bescheid: Amazonas… Indonesien… Kongo.
Nimmt sein Thermometer und misst. Erschrickt beim Ablesen:
41,3 Grad
Kahlschlagfieber für die Erde ist schlimm, so gefährlich wie Malaria für kleine Kinder! Aber wir können jetzt ja auswandern zum Mars.
Resignierend: Was kann´ste machen? Alle wollen wir Biosprit, Billigfleisch, sogar Tropenholz fürs Heizkraftwerk.in Berlin…
Vielleicht ist es ja schon zu spät, aber ich muss trotzdem nachschauen, ob sich die Infektion weiter ausbreitet.
Dreht die Erdkugel in verschiedene Richtungen und schaut aufmerksam hin. Dann hält er inne, schaut, nochmal hin, kramt seine Lupe aus der Tasche und sieht hindurch.
Geht auf eine Zuschauerin zu und hält ihr die Lupe hin:
Siehst Du auch, was ich sehe? Ein kleiner roter Pustel? Ich mess mal eben nach. (Hält Handy als GPS-Ablesegerät über die Stelle und liest ab.) Also, das Kahlschlagfieber-Register meldet eine neue Infektion in Europe/Germany/Sachsen-Anhalt/Gemeinde Hohe Börde.
Leute, mit sowas ist nicht zu spaßen: so hat es am Amazonas auch angefangen! Aber vielleicht ist das ja nur ein Marmeladenfleck. (Versucht abzulecken, vergeblich.)
Leute, das Welt-Kahlschlagfieber-Register lügt nicht. In diesem „Hohe Börde“ in Germany dürfen die Leute offenbar Bäume fällen, wie es ihnen gefällt, wie am Amazonas. Was mach ich bloß? (Signalisiert mit Gesten eine „Erleuchtung“ und greift aus seiner Tasche eine große Schere.)
Während er ansetzt, den kleinen Fleck aus der Erde herauszuschneiden, ruft eine warnende Stimme aus dem Publikum:
Vorsicht, Du macht ja die ganze Erde kaputt
Klimaclown stellt fest: So geht’s nicht. Kramt in seiner Tasche und zieht eine Nagelbürste hervor; bürstet; prüft das negative Ergebnis.
Der Fleck geht nicht weg! In Hohe Börde, Germany sind anscheinend Bäume in Gefahr, wie im Kongo-Urwald.
Botin/Bote kommt gelaufen und überreicht dem Klimaclown ein Paket:
Keine Panik. Hier, das kommt vom Rathaus Hohe Börde. Löst alle deine Baumprobleme!
Klimaclown entnimmt der Tragetasche einen Gartenzwerg, mit kleiner Antenne, Gemeindewappen vor der Brust und Beipackzettel
Liest vor:
Gebrauchsanweisung
Automatischer Baumwächter,
Typ Hohe Börde 2013
Aufzustellen auf allen Privatgrundstücken auf Beschluss des Gemeinderates vom 1. April 2013.
Meldet Kontakte von Äxten oder Sägen mit lebendigem Holz ab 25 Jahresringen.
Ersetzt jede Baumschutzsatzung.
Achtung: Überstülpen von Tüten, Säcken, Kisten schaltet den Automatischen Baumwächter aus.
In diesem Falle: Gut Holz und nicht erwischen lassen!
Klimaclown entnimmt dem Paket eine undurchsichtige Plastiktüte und zieht sie über den „Baumwächter“
Klimaclown, nimmt Hut ab; jetzt in der Attitüde des Mitbürgers:
Weil die Sache mit dem Automatischen Baumwächter wohl auch ihren Haken hat, tritt die Bürgerinitiative „Baumschutz Hohe Börde“ dafür ein, dass auch unsere Gemeinde eine Baumschutzsatzung bekommt. Denn auch wertvolle Bäume auf Privatgrundstücken brauchen Schutz. Die Erde hat Kahlschlag-Fieber.
Gustav Gnadenlos
(Eine Straßentheater-Szene von Harald Rohr)
Wir schreiben das Jahr 2032. Die massive Klimaerwärmung hat Europa zu einer strengen Umweltgesetzgebung genötigt. Liesel Holzhacker, eine Einwohnerin der Gemeinde Hohe Börde, bekommt unangenehmen Besuch vom Gerichtsvollzieher Gustav Gnadenlos vom Umwelt-Schuldenamt…
Personen:
Gerichtsvollzieher Gustav Gnadenlos
Liesel Holzhacker, Grundstückseigentümerin in Hohe Börde
Gerichtsvollzieher Gustav Gnadenlos tritt auf, klingelt pantomimisch.
Liesel Holzhacker öffnet
Gustav Gnadenlos: Frau Liesel Holzhacker?
Liesel Holzhacker: Was wollen Sie?
Gustav Gnadenlos: (zeigt einen Ausweis vor) Gustav Gnadenlos, Gerichtsvollzieher im Auftrag des Umwelt-Schuldenamtes. Ich komme wegen Ihrer unbezahlten Umwelt-Altschulden. Ich nehme an, Sie wissen, worum es geht; Strafzahlung für Baumfrevel vor drei Jahren.
Liesel Holzhacker: Keine Ahnung. Lassen Sie mich in Ruhe!
Gustav Gnadenlos: (zieht ein kleines Aktenbündel aus der Tasche) Frau Holzhacker, müssen wir das wirklich vor der Tür besprechen?
Liesel Holzhacker winkt Gustav Gnadenlos widerwillig ins Haus. Beide setzen sich auf Stühle.
Gustav Gnadenlos: Frau Holzhacker, ich tue doch auch nur meine Pflicht. Aber Sie wissen: seit 1. Januar 2033 ist es wegen der Klimakatastrophe in ganz Europa gesetzlich verboten, gesunde Bäume auf Privatgrundstücken abzuhacken.
Sie haben im August 2033 hinter ihrem Haus eine gesunde 100-jährige Eiche umhauen lassen. Die Beweisfotos von der EU-Baumschutz-Drohnen-Überwachung liegen vor. Sie haben die Tat ja auch nicht bestritten. Aber den Strafbefehl haben Sie trotz dreimaliger Mahnung nicht bezahlt. Deshalb bin ich hier.
Liesel Holzhacker (wütend): Wissen Sie was? Ihre blöden Strafbefehle hab ich ungeöffnet in die Tonne geschmissen. (Zögernd): Aber damit ich Sie loswerde… (nestelt einen 10-€-Schein aus dem Portemonnaie) Das wird ja wohl reichen!
Gustav Gnadenlos (konsterniert): Gute Frau, erstens lasse ich nicht mit mir handeln. Und zweitens haben Sie wohl keine Ahnung, was Bäume heute wert sind. (Schlägt seine Akte auf und liest laut vor): Strafbefehl an Liesel Holzhacker, Hohe Börde, Bundesrepublik Deutschland, gemäß EU-Klimarettungs-Ordnung wegen illegaler Fällung eines gesunden Starkbaumes zu jährlich zahlen von 2033 bis 2063:
Für verloren gegangene Wertschöpfung durch den bezeichneten Starkbaum, pro Jahr:
Luftreinigung/CO2-Abgabe € 75,15
Sauerstoffproduktion € 6,43
Humusproduktion € 210.-
Wasser- und Windschutz € 103,80
Nahrungsgrundlage für andere Lebewesen, € 50.-
Funktion für den Vogelschutz, € 5,11
Lebensqualität der Allgemeinheit € 100,-
Gesamt jährlich € 550,55
zu zahlen gemäß EU-Gesetz ab illegaler Fällung 30 Jahre lang
13 weitere Kostenfaktoren sind aus Kulanzgründen gestrichen
sofort fällig Raten für 2032, 2033 und 2034 € 1.651,65 zzgl 10% Mahngebühr
€ 1.816,82
Also bitte, Frau Holzhacker, 1.816,82 €, wenn Sie ein teures Gerichtsverfahren vermeiden wollen.
(Anmerkung: den Beträgen liegen Valorisierungen aus den Jahr 2013 zu Grunde. Für das Jahr 2033 müssten sie vermutlich sehr viel höher angesetzt werden.)
Liesel Holzhacker (ziemlich verzweifelt): Kann man denn da gar nichts machen?
Gustav Gnadenlos (um Einvernehmen bemüht): Also, ich kann da nichts machen. Das Geld für die letzten drei Jahre müssen Sie mir sofort geben. Aber Ihre Kommune hat doch auch ein Baum-Hilfswerk, wie jede Kommune. Da kann man doch Umwelt-Strafbefehle abarbeiten. Ich schätze mal, bei Ihnen wären das so fünf Wochenenden jährlich.
(Mustert sie anerkennend): Na, eine Frau wie Sie schafft das doch!
Otto Eiches letzte Stunde
(Eine Straßentheater-Szene von Harald Rohr)
Otto, die Eiche ist der Aufforderung ihres Besitzers, sich vom Acker zu machen, nicht nachgekommen und soll deshalb hingerichtet werden. Im letzten Momen kommt der Klima-Clown angerannt und versucht, die Bewohner der Eiche umzusiedeln…
Spieler:
„Otto, die Eiche“ (stumme Rolle)
Scharfrichter
Klimaclown
Requisiten:
Kostüm für „Otto, die Eiche“, mit Taschen, aus denen Eichen-Bewohner herausschauen, Eichenkranz auf dem Kopf, etwas angestecktes Laub, Schriftliches Todesurteil; Henkerbeil; Tierfiguren; Liste mit Eichenbewohnern; Kostüm für den Klimaclown mit Symbolen für leben der Schöpfung und Klimakatastrophe; Terminkalender für den „Scharfrichter“
Scharfrichter:
Hereinspaziert, liebe Leute. Diese Belustigung gab´s lange nicht mehr an der Schrote, Jahrhunderte haben wir darauf warten müssen. Heute endlich wieder eine Original-Hinrichtung; öffentlich und kostenlos. Da müssen Sie dabei gewesen sein!
Und hier unser Delinquent: „Otto, die Eiche“.
(Überall, am Stamm, in den Ästen, im Kranz auf dem Kopf stecken kleine bunte Pappfiguren von Tieren, die von und auf Eichen leben.)
Sehen Sie, staunen Sie. 110 Jahre und kein bisschen lebensmüde! Aber heute ist Schluss.
Abgesprochener Zuruf aus dem Publikum:
Halt! Das ist verboten! Gesunde große Bäume sind in Deutschland geschützt!
Scharfrichter:
Nix da! Hier ist nicht Deutschland. Hier ist Hohe Börde. Bei uns in Hohe Börde geht alles nach Recht und Gesetz. Deshalb komme ich jetzt zur Verlesung des Todesurteils, streng nach Hohen Börder Baumrecht.
Zieht ein „amtlich“ aussehendes Papier aus einer seiner Taschen und liest vor:
„Hiermit verurteile ich „Otto, die Eiche“ zum sofortigen Baumtod. Er ist der Aufforderung, sich innerhalb 72 Stunden von meinem Grund und Boden zu entfernen, nicht nachgekommen. Deshalb mache ich von meinem Grundbesitzer-Recht Gebrauch, das niemand niemals antasten soll, und spreche dieses Urteil. Gnadengesuche sind zwecklos.
Unterzeichnet, Hugo Hacker,
Grundbesitzer, Richter und Vollstrecker“,
Hohe Börde, den 9. Juni 2013“
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger: ihr seht: alles nach Recht und Gesetz! Ich, Hugo Hacker bin ein freier Mann. Keine „Baumschutzsatzung“ weit und breit, die mir auf die Nerven geht! Deshalb wohne ich ja in Hohe Börde und nicht in diesem – wie heißt es gleich? – Magdeburg.
Scharfrichter greift nach dem Henkerbeil (Pappe an Besenstiel)
Klimaclown kommt angerannt:
Zu Hilfe, zu Hilfe! Leute, seht Ihr denn nicht? „Otto, die Eiche“ ist voll von Untermietern. Sollen die jetzt alle mit umkommen? Henker, ein paar Minuten kannst du ja wohl warten!!
Scharfrichter zögert und macht eine großzügige Handbewegung:
Okay, fünf Minuten
Klimaclown, hastig und etwas erleichtert; greift nach einzelnen Tierfiguren:
Fangen wir mit was Einfachem an. Wer kümmert sich ab heute um das Eichhörnchen?
(Gibt das Eichhörnchen ab.)
Nimmt den Eichelhäher aus dem Kranz auf dem Kopf von „Otto Eiche“
So, wer versorgt diesen Spezi künftig mit Eicheln? Mitbürger vor!
Mit Zweifel in Stimme und Gestik: Wer nimmt das Hornissenvolk? 300 Prachtexemplare. Die verputzen 4 Kilo Schädlinge pro Woche! – Na ja, klappt wohl nicht. Dann lieber eins von den Wildschweinen, die zur Eichelmast vorbeikommen? Als Belohnung gibt’s ein Schlachtfest für die ganze Nachbarschaft.
(Unsicher) Das hier ist ein bisschen kompliziert. Hirschkäfer! Selten, total geschützt. Wer von Euch hat zu Hause ´ne Eiche, die er die nächsten sieben Jahre garantiert nicht umhauen will? Solange dauert das, bis ein Hirschkäfer herangewachsen ist. Keine Freiwilligen? Gut, ich geb Euch noch einen Waldkauz und einen Buntspecht dazu. Die machen vielleicht etwas mehr her.
Scharfrichter ungeduldig:
Schluss jetzt mit diesem Ökogefasel! Ich hab heute schließlich noch mehr zu hacken, Nachbarschaftshilfe bei Gleichgesinnten.
Nimmt einen Terminkalender zur Hand, liest vor:
Nächste Holzhacker-Termine:
Linde in Mittel-Dunnersleben – muss weg für Zweitgarage;
Nussbaum in Schreckensleben – muss weg für mehr Licht im Badezimmer….
Birken in Dummsdorf – müssen weg wegen böswilligem Laubfall
Klimaclown, energisch:
Ich protestiere gegen das Holzhackerrecht von Hohe Börde! Auf dieser Liste (zeigt auf die Liste, die am Baumstamm hängt) steht nur ein kleiner Teil der großen und kleinen Tiere, die auf einer hundertjährigen Eiche zu Hause sind.
Scharfrichter macht Anstalten, zur Tat zu schreiten.
Klimaclown denkt kurz nach und winkt dann – abgesprochen – ein paar Mitspieler herbei, die sich mit ihm um den Baum stellen und so den Scharfrichter an seiner Arbeit hindern und einen Baumschützer-Song singen. (Melodie: Zehn kleine Negerlein)
Baumschützer sind wir hier am Ort,
wir hüten einen Schatz.
Wer uns die Luft zum Atmen schenkt,
verdient wohl seinen Platz.
Die Hohe Börde braucht jetzt bald
´ne Satzung für den Baum.
Denn Zuckerrüben reichen nicht,
ihr Schatten kühlt uns kaum.
Das Schild “ Wohngemeinschaft Zur Eiche“,
das an der Eiche befestigt wird, enthält folgende Namen:
Baummarder,
Buntspecht,
Eichelbohrer,
Eichelhäher,
Eichenspinner,
Eichhörnchen,
Großer Abendsegler,
Grüner Eichenwickler,
Hirschkäfer,
Hornisse,
Junikäfer,
Kohlmeise,
Mittelspecht,
Rindenwidderbock,
Siebenschläfer,
Waldbaumläufer,
Waldkauz,
Weidenmeise,
Wildschwein