Am 14. August 2015 am frühen Abend tobte ein kurzes Unwetter durch die Hohe Börde. Als es sich gelegt hatte, sahen Niederndodeleber Bürger mit Entsetzen, dass die mächtige Linde, die zwischen dem knapp 600 Jahre alten Mauritius-Haus und der Peter-Paul-Kirche stand, auf das Kirchdach gestürzt war. Starkwurzeln waren abgerissen und der mächtige Stamm von 4m Umfang gespalten. Menschen waren glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen. Mehrere Tage sollte es dauern, die Gefahr zu entschärfen und den Koloss zu zersägen. Die Reparatur des Kirchdaches wird teuer werden.
Schon einmal hatte das Schicksal dieses Baumes die Gemüter erhitzt. Die Kommune hatte im Dezember 2007 die Krone gegen alle Regeln der fachgerechten Baumpflege rabiat reduzieren lassen und einen traurigen Anblick hinterlassen. Fortan war der Baum geschwächt und spätestens jetzt eine Gefahr für die Kirche und für das älteste Haus von Niederndodeleben. Denn wer in Baumkronen stark eingreift, sorgt auch dafür, dass der Wurzelbereich zurückfault. Das kann nicht gut gehen, sagten sich die Bürger, die sich damals in der Bürgerinitiative Baumschutz Hohe Börde zusammenfanden.
Jetzt zeigte sich: der Baum war wohl schon länger angezählt. Die Wurzeln auf der Ostseite waren verfault, aber auch der Stamm war faul. Augenscheinlich hat man vor 30 Jahren das Fundament des heutigen Mauritius-Hauses saniert und dabei große Wurzeln gekappt. Zugegeben: der Baum stand am falschen Ort – nur einen Meter vom Gebäude entfernt. Er hat es wohl auf 300 Lebensjahre gebracht, wie eine baumkundliche Berechnungsformel ergab. Und niemand hat seinen Zustand sachkundig untersucht.
Die Bürgerinitiative bedauert, dass ein Baumkataster in der Gemeinde Hohe Börde bisher nicht existiert und auch nicht so bald kommen wird, wie die Bürgermeisterin im Juni mitteilte. Denn nur so können die erforderlichen regelmäßigen Baumkontrollen flächendeckend geleistet werden. Immerhin werden inzwischen einzelne verdächtige Bäume vom Bauhof (gelegentlich unter Mitwirkung des Magdeburger Baumgutachters Hartmut Beyer) kontrolliert.
Niemand vermag zu sagen, ob der „Folterschnitt“ an unserer „Gründungslinde“ vor acht Jahren das Siechtum des Baumes derart beschleunigt hat, dass er jetzt den Orkanböen nicht zu widerstehen vermochte. Lediglich die Wechselwirkungen zwischen Kronenverstümmelung und Wurzeldegeneration sind eine unstrittige Tatsache.
Ein Baumkataster als Planungsgrundlage für fachgerechte Baumpflege erweist sich nach der beispiellosen Orkannacht vom 14. August freilich als unentbehrlich. Nach allem, was uns die Klimaforscher sagen, werden uns immer häufigere Unwetter von neuer Brutalität als Kehrseite der Dürresommer heimsuchen. Kein wertvoller alter Baum darf diesen Risiken ohne die bestmögliche fachliche Betreuung ausgesetzt werden.